Der Weberhannes und die Zauberfee
Das Fotoprojekt „der Weberhannes und die Zauberfee“ entstand im Kontext eines umfangreichen Kunstprojektes im Freilichtmuseum Beuren. In zwei offenen Fotoshootings hat Daniela Wolf gemeinsam mit der Theaterpädagogin Jule Koch vom Schauspiel Stuttgart die Besucher eingeladen, in ausgewählter historischer Kleidung die ländliche Szenerie des Freilichtmuseums als ganz eigene Bühne zu nutzen.
Die Kostüme stammen aus dem Fundus des Schauspiel Stuttgart. Doch Daniela Wolf und Jule Koch haben nicht nur die die historisch passende Bekleidung eingepackt, sondern auch die Requisitenkammer des Theaters geplündert und vom Schwimmreifen bis zum Staubsauger ein Sammelsurium aus kuriosen und sehr heutigen Gegenständen bereitgestellt.
Auf den hier ausgestellten Fotografien erscheint der reizvolle Gegensatz von leuchtenden Plastikwasserpistolen und türkis-glitzernden Engelsflügeln im historischen Szenario einfach und verspielt. Das warme Mai-und Septemberlicht – das sind die Monate in denen die beiden Shootings stattgefunden haben – tun ihr übriges für eine sonnig-leichte und augenzwinkernd surreale Atmosphäre. Man hat den Eindruck „der Weberhannes und die Zauberfee“ verstehen sich recht gut und haben auf leichtfüßige Weise zueinandergefunden.
Doch wie bekommt man eigentlich alle Familienmitglieder einer nur zufällig durch das Museum schlendernden Familie dazu, das Smartphone wegzulegen und sich aus einem Haufen von vermutlich kratzigen und auf den ersten Blick wenig schmeichelnden Bauernkostümen etwas herauszusuchen und das dann auch noch anzuziehen? Fühlt man sich mit einer seltsamen Haube auf dem Kopf und neben einer Kuh aus Pappmache wirklich fotogen?
Es ist ein wesentlicher Teil der künstlerischen Arbeit von Daniela Wolf und ein besonderes Talent von ihr aus der Fotografie ein interaktives Erlebnis zu machen. Die spontane Aktion gern auch mit völlig fremden Menschen ist ebenso wichtig wie das nicht in allen Teilen vorhersehbare Ergebnis. Daniela Wolf fordert sich selbst heraus, indem sie immer wieder die unterschiedlichsten Menschen zu ihren Projekten animiert und natürlich ist es auch eine Herausforderung und ein besonderes Erlebnis für alle Beteiligten.
So sprach sie in früheren Arbeiten beispielsweise in Paris fremde Menschen auf der Straße an und bat die Personen, sie gemeinsam mit ihrer Familie auf dem eigenen Sofa fotografieren zu dürfen (Man muss dazu ergänzen, dass sie gerade erst Französisch lernte, bei 28 von hunderten von Angesprochenen hatte sie Erfolg). In einem anderen Projekt ist das Sofa direkt in den Ausstellungsraum gewandert und ein Großteil der Besucher der Ausstellung landete zum Ablichten in den unterschiedlichsten Positionen und Gruppierungen auf dem Sitzmöbel.
Abhängig von Umgebung und Situation steht die gemeinschaftliche Aktion im Fokus. Mit einfachen Mitteln wird das Alltägliche leicht verschoben. Menschen geraten unverhofft in
einen künstlerischen Kontext. Dabei geht es Daniela Wolf jedoch stets um ein positives und interessiertes Miteinander.
Im Freilichtmuseum Beuren konnten die Teilnehmer einen Sofortausdruck des Shootings direkt mit nach Hause nehmen. Vielleicht nehmen Sie außer der Erinnerung auch einen veränderten Blick auf Museumsbesuche oder die Fotografie mit.
Abgesehen von den Beteiligten und der Aktion können die Fotografien von Daniela Wolf auch im Ausstellungsraum bestehen. Die Kulisse, die derben Bauernkostüme, die speziellen Kopfbedeckungen lassen an das 19. und frühe 20. Jahrhundert denken. Schon der junge Maler Max Liebermann war vom erdverbundenen Arbeitsleben auf dem Land fasziniert und suchte in seinen Bildern von Kartoffelernten und Wäschebleichen die „Poesie der Einfachheit.“ Er wurde dafür unter anderem als „Apostel der Hässlichkeit“ und als „Schmutzmaler“ beschimpft.
Für den Fotografen August Sander waren die Bauernportraits ein wichtiger Bestandteil seiner Serie „Menschen im 20. Jahrhundert“.
Bei allem Humor von der Serie „der Weberhannes und die Zauberfee“ liegt in der Leichtigkeit und der klaren Abwesenheit von Berührungsängsten mit historisch `niederen Themen‘ wie Bäuerlichkeit und Landleben eine besondere Qualität. Zum einen verleihen die Fotografien dem einfachen, vielleicht bisweilen idyllischen aber sicher auch harten, historischen Landleben eine besondere Würde. Zum anderen vitalisieren die Fotografien das Konzept Freilichtmuseum und zeigen Möglichkeiten einer positiven Annäherung.
Darüber hinaus sind die Fotografien – in Analogie zu August Sander – auch Dokumente des 21. Jahrhunderts. Das Projekt erhascht einen dokumentarischen Blick auf heutige Familien und Gruppen, die ein Museum besuchen und stellt Fragen, inwiefern sich diese Menschen von denen unterscheiden, die einmal in dem Ambiente gelebt haben. Handelt es sich um die klassische Kleinfamilie? Haben sie noch irgendetwas gemein mit den früheren Dorfgemeinschaften?
Eine Ambivalenz und Unvereinbarkeit von Heutigem und Vergangenem verdeutlicht sich in den immer wiederkehrenden einfachen Hauben und Bauernkappen. Die Kopfbedeckungen sind kaum mit unserem heutigen Leben in Einklang zu bringen. Einzig das Sprichwort „unter die Haube bringen“ hat sich im Sprachgebrauch gehalten. Es bedeutet, eine Frau durch eine arrangierte Hochzeit zu versorgen und dass diese Frau sich anschließend züchtig mit einer Haube kleiden sollte. Dass zumindest dieser Teil der Geschichte ein vergangener Brauch ist, darüber darf man sich freuen.
Text von Anka Wenzel